Anfallende Überschüsse steuerlich abzuschöpfen, gleichzeitig aber damit zusammenhängende Verluste entweder überhaupt nicht anzuerkennen oder in gesonderte sogenannte Verlusttöpfe zu verbannen, ist eine der Lieblingsdaumenschrauben des Steuergesetzgebers. Folge ist, dass die Verluste dann nicht mit anderen Überschüssen und/oder nur jährlich sehr begrenzt mit denselben Überschüssen verrechenbar sind. So können ab dem Veranlagungszeitraum 2021 Verluste aus Termin- und Stillhaltergeschäften nur noch mit Gewinnen aus diesen Geschäften und zusätzlich begrenzt auf 20.000 € pro Jahr verrechnet werden (§ 20 Abs. 6 Satz 5 EStG). Diese willkürliche Diskriminierung einzelner Kapitalanlageformen wurde nun auch dem Bundesfinanzhof zu bunt, der traditionell viel Verständnis für den Gesetzgeber und noch mehr Verständnis für die Finanzverwaltung aufbringt.
Im Beschluss vom 07.06.2024 hält das oberste Finanzgericht diese Verlustverrechnungsbeschränkung für verfassungswidrig und hat im summarischen Verfahren Aussetzung der Vollziehung gewährt (VIII B 113/23). Es empfiehlt sich, in gleichgelagerten Fällen das Aussetzungsverfahren anzustrengen. In diesem Verfahren muss der BFH die finale Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit (noch) nicht dem Bundesverfassungsgericht überlassen, dies ist erst der Fall, wenn das Hauptverfahren zur Entscheidung ansteht, was noch Jahre dauern kann.
Jahre dauert es auch, bis das Bundesverfassungsgericht die Flut an Verfassungsklagen nach und nach abarbeitet. Der BFH hat es bereits als verfassungswidrig gebrandmarkt, dass Aktienverluste nicht mit anderen Gewinnen aus Kapitaleinkünften verrechenbar sind (Vorlagebeschluss des BFH vom 17.11.2020, VIII R 11/18). Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (Urteil vom 28.02.2018, 5 K 69/15) glaubte zu dieser Frage noch, dass der Zweck die Mittel heiligen darf, und deshalb spekulationsbedingte, aber nur abstrakt drohende Haushaltsrisiken den Verlustmauerbau inmitten der Kapitalerträge rechtfertigen würden. Im Klartext: Verluste werden privatisiert, Gewinne verstaatlicht.
RA und Fachanwalt für Steuerrecht Peter Eller, München, www.msa.de, eller(at)msa.de