Rechnungsabgrenzungsposten: Aktiv-Ansatz auch von Kleinbeträgen

BFH gibt im Fehlurteil vom 16.03.2021 sogar seine frühere geringfügig vernünftigere Rechtsprechung auf.

Die Finanzverwaltung läuft immer dann zu Hochform auf, wenn sich der Streit mit Angehörigen der Zivilgesellschaft auf steuerliche Petitessen bezieht. Für das wirklich Notwendige, Wichtige und Anspruchsvolle im Steuerrecht stehen dem Apparat dann keine Ressourcen mehr zur Verfügung. Assistiert wird diese Drückebergerkaste von einem obersten Finanzgericht, das sich in seinen Urteilen gerne in abgehobener Weltfremdheit übt. Im Streitfall standen Beträge von 1.341,00 € und 1.550,00 € und 1.315,00 € aus drei Steuerjahren im Feuer, wobei – nota bene – nicht die absolute Abzugsfähigkeit in Frage stehen konnte, sondern nur die einmalige Verschiebung um einen Veranlagungszeitraum und auch nur im Jahr der ersten vom Gericht erzwungenen Aktivierung und neutralisiert im Jahr der Betriebsaufgabe, über die Jahre hinweg in etwa gleich bleibende Beträge unterstellt.

Zutreffend führt der BFH im Urteil vom 16.03.2021 (X R 34/19)aus, dass der periodengerechte Ansatz von Aufwand im Interesse einer Vereinfachung der Buchführung nicht übertrieben eingefordert werden darf. Praktische Konsequenzen zieht der BFH aus seiner Erkenntnis jedoch keine und agiert maximal aufwandsignorant: jeder noch so kleine vorausbezahlte Aufwand, der sich auf spätere Veranlagungszeiträume bezieht, ist aktiv und damit gewinnerhöhend abzugrenzen. Das FG Baden-Württemberg hatte sich in der Vorinstanz noch auf den vernünftigen Standpunkt gestellt, dass der Grundsatz der Wesentlichkeit im Handelsrecht gebiete, unwesentliche Elemente bei der Bilanzierung und Bewertung außer Betracht zu lassen und diese Vorgabe für das Steuerrecht maßgeblich sei.

Der BFH hat damit ganz bewusst die bisher von einem anderen Senat im Urteil vom 03.09.2015 (VI R 27/14 mit Bezug auf BFH/NV 2010, 1796) – leider nicht streitentscheidend – vertretene Auffassung, die Unwesentlichkeitsgrenze an derjenigen für geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) auszurichten, aus Perfektionswahn nicht übernommen. Der Steuergesetzgeber hatte 2018 den GWG-Grenzbetrag annähernd verdoppelt, was nach Meinung der BFH-Richter eben keine Richtschnur zur Beurteilung von Unwesentlichkeit sein darf.

Die Änderung seiner Rechtsprechung hat der BFH aus Feigheit auch nicht wie sonst üblich kenntlich gemacht und er musste diese Frage nach seiner eigenen und wenig überzeugender Begründung auch nicht dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen: Der 10. Senat hat einerseits lediglich der nicht streitentscheidenden Auffassung des 6. Senats widersprochen und hat andererseits ein Urteil von 1967 ausgehebelt, für das die Vorlagepflicht noch nicht galt.

Nun die Pointe: In realsatirischem Verhalten hat das Finanzamt im Streitfall zwar die steuererhöhende Bildung der ARAPs festgestellt, deren konsequente Auflösung im nächsten Jahr jedoch verweigert. Wenigstens diese Boshaftigkeit der Finanzverwaltung hat der BFH mit einem Federstrich korrigiert, getreu seinem Motto, dass es ausschließliche Aufgabe der Finanzgerichtsbarkeit sei, die schlimmsten Auswüchse der Finanzverwaltung einzuhegen.

Und wie reagiert der Praktiker auf dieses Fehlurteil des BFH? Man nehme eine vernünftige GWG-Grenze (1.000,00 €), schäume den Cocktail mit einem Sicherheitszuschlag von 200% auf und erfreue durch die nicht gebildeten ARAPs unter 3.000,00 € pingelige Betriebsprüfer mit der einmaligen zusätzlichen und aus den eben genannten Gründen später wieder neutralisierten Ertragsteuer, die bei Kapitalgesellschaften ca. ein Drittel der Beträge ausmacht.


RA und Fachanwalt für Steuerrecht Peter Eller, München, www.msa.de, eller(at)msa.de

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