Säumniszuschläge: zur Frage der Verfassungswidrigkeit seit 2019 sind sich die BFH-Richter alles andere als einig.

5. Senat des BFH toppt in einem Aussetzungsverfahren den 2. Senat, während der 6. Senat auf die Linie der Finanzverwaltung einschwenkt.

Der 5. Senat des BFH hält im Beschluss vom 23.05.2022 die Höhe der Säumniszuschläge von 1% pro angefangenem Monat für insgesamt verfassungswidrig (V B 4/22), beginnend mit dem 01.01.2019. Der Senat ist damit über den Beschluss vom 11.01.2022 des erstinstanzlichen FG Münster hinausgegangen (12 V 1805/21). Ferner komme eine Teilverfassungswidrigkeit, wie sie der 7. Senat des BFH in seinem Beschluss vom 31.08.2021 (VII B 69/21) angenommen habe, wegen der allgemein unzulässigen geltungserhaltenden Reduktion verfassungswidriger Vorschriften nicht in Frage. Die Finanzverwaltung hat noch nicht reagiert wird und m.E. voraussichtlich die Vorläufigkeit der betreffenden Bescheide auch nicht anweisen. Bis zum Umdenken des Fiskus empfiehlt sich daher zur Rechtswahrung ab sofort Einspruch in relevanten Fällen gegen alle festgesetzten Säumniszuschläge einzulegen und Adv zu beantragen.

Definitiv kann die Frage erst das Bundesverfassungsgericht entscheiden, und dazu muss die Streitfrage der Säumniszuschlagshöhe erst in einem Hauptsacheverfahren an den BFH gelangen: Nur dann kann und muss er das Bundesverfassungsgericht anrufen, da Fragen der Verfassungswidrigkeit bei diesem Gericht monopolisiert sind.

Im Gegensatz zum V. Senat des BFH hat der VI. Senat keine Zweifel an der gesetzlichen Höhe der Säumniszuschläge in Höhe von 6 % (Beschluss vom 28.10.2022, VI B 15/22). Da es sich um ein summarisches Verfahren handelte, musste sich auch nicht der Große Senat mit der Sache befassen, der im Regelfall anzurufen ist, wenn zwei unterschiedliche Senate des BFH eine Rechtsfrage unterschiedlich beurteilen. Die Entscheidung zeigt deutlich, dass sich viele BFH-Richter ständig vor den Auffassungen der Finanzverwaltung gnädigst verneigen und die entsprechenden juristischen Argumentationen der Finanzverwaltung unbesehen übernehmen.


RA und Fachanwalt für Steuerrecht Peter Eller, München, www.msa.de, eller(at)msa.de

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