Gesellschafter-Geschäftsführer: Kein Zufluss von Arbeitslohn bei bedingungslosem Gehaltsverzicht

BFH deckelt Finanzverwaltung in ihrem Bestreben, fiktive Zuflüsse zu versteuern.

Betriebsprüfer achten in erster Linie darauf, möglichst hohe Steuernachzahlungen herauszuschlagen (völlig unabhängig davon, ob sie später im Rechtsmittelverfahren Bestand haben oder überhaupt nur Steuerverlagerungseffekte zeitigen). Weil die Zahl der tatsächlichen Zuflüsse begrenzt ist, kaprizieren sich Prüfer für zusätzliche Steuereinnahmen gerne auf fiktive Zuflüsse. Lohnsteuerprüfer nahmen – eben fiktive – Gehaltszuflüsse bei Gesellschafter-Geschäftsführern an, obwohl diese – ihnen laut Vertrag zustehende –Urlaubs- und Weihnachtsgelder bzw. Tantiemen mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage der GmbH nicht in die Lohnbuchhaltung aufnahmen und sich folglich auch nicht auszahlen ließen. Dies führt zu der abwegigen Konsequenz, dass auf nicht zugeflossene Beträge Lohnsteuer abzuführen ist. Das Bemühen der Lohnsteuerstellen ist bei inländischen Gesellschafter-Geschäftsführern besonders absurd, da die Lohnsteuer auf die Einkommensteuer angerechnet wird und so in der Regel kein effektiver Zuwachs des Steueraufkommens zu verzeichnen ist, jedenfalls wenn die schon versteuerten Auszahlungen in späteren Jahren nachgeholt werden, sofern dies überhaupt möglich ist.

 

Im Urteil vom 03.02.2011 (VI R 4/10) hat der BFH dieser ineffektiven Steuertreiberei ein Ende gesetzt. Verzichtet ein Gesellschafter-Geschäftsführer ohne einen wirtschaftlichen Ausgleich – insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der GmbH – auf ihm laut Vertrag zustehende Leistungen, so ist ihm kein fiktiver Lohnzufluss zu unterstellen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Gesellschaft den Aufwand nicht in die Lohnbuchhaltung aufgenommen hat. Dann ist der Gesellschaft keine Verbindlichkeit gegenüber dem Geschäftsführer entstanden und sie hat ihren Aufwand insoweit nicht steuermindernd erhöht. Auch eine – lediglich das Vermögen des Gesellschafters umschichtende – Einlage ist nur dann gegeben, wenn zuvor bei der GmbH eine Verbindlichkeit gebucht wurde und die GmbH infolge des Verzichts durch die Ausbuchung der Verbindlichkeit einen Vorteil erlangt hat. In allen anderen Fällen erleidet der Gesellschafter-Geschäftsführer aber durch den Verzicht keine tatsächliche Vermögenseinbuße und muss konsequenterweise auch keine fiktiven Zuflüsse im Hinblick auf diesen Verzicht versteuern.


RA und Fachanwalt für Steuerrecht Peter Eller, München, www.msa.de, eller(at)msa.de

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